Maßnahmen zur Prävention sexueller Gewalt im Sportverein verankern
Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist ein hoch brisantes und problematisches Thema. Insbesondere Einrichtungen, die mit jungen Menschen arbeiten, werden immer häufiger mit dieser Thematik konfrontiert – mitunter auch durch Übergriffe in den eigenen Reihen. Nicht selten kommt es vor, dass sich gerade potenzielle Täter*innen sozial und ehrenamtlich engagieren, und sich somit das Vertrauen der Eltern bzw. der Kinder und Jugendlichen erschleichen.
Es ist davon auszugehen, dass der weit überwiegende Anteil der Misshandlungen an Kindern und Jugendlichen im sozialen Nahraum passieren, das heißt durch Personen, die im direkten Kontakt mit dem Kind stehen (Eltern, Lehrer, Trainer, Verwandte, etc.).
Zahlen – Daten – Fakten
⦁ Ca. 13.300 Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger wurden 2015 in Deutschland in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst.
⦁ Die Dunkelziffer sexuellen Missbrauchs wird 10- bis 20-mal höher geschätzt.
⦁ Ca. jedes vierte bis fünfte Mädchen und jeder achte bis zehnte Junge unter 18 ist betroffen. Viele Fälle werden erst später oder gar nicht bekannt.
⦁ Die Opfer befinden sich in jeder Altersstufe.
⦁ Eine Vielzahl der Opfer wird mehrfach missbraucht.
⦁ Die Täter*innen kommen zumeist aus dem bekannten Umfeld des Opfers.
⦁ Die Täter*innen sind zu 85-90 % männlich.
⦁ Die Täter*innen kommen kulturübergreifend aus allen gesellschaftlichen Schichten.
⦁ Die Täter*innen kommen aus allen Altersgruppen (ca. 1/4 bis 1/3 sind unter 21 Jahre alt).
⦁ Sie sind meist Wiederholungstäter*innen.
Was ist eigentlich mit sexueller Gewalt gemeint?
Sexuelle Gewalt tritt in ganz unterschiedlichen Formen und Abstufungen auf. Dabei kann man grob zwischen folgenden Formen sexueller Gewalt unterscheiden:
⦁ Ohne Körperkontakt:
Anschauen von Pornos; Exhibitionismus; beim Duschen zuschauen; sexualisierte Sprache
⦁ Mit „geringem“ Körperkontakt:
Zungenküsse; Brust anfassen; Klaps auf den Po; Versuch, die Genitalien zu berühren
⦁ Mit sehr intensivem Körperkontakt:
Zwang zu sexuellen Handlungen; anale, orale oder genitale Vergewaltigung
Sexuelle Übergriffe geschehen nicht aus Versehen, sondern werden von TäterInnen meist gezielt vorbereitet. Bei den Täter*innen/ Missbraucher*innen handelt es sich oft um Mehrfachtäter*innen, die sich in der Regel nicht nur an ein einem Opfer missbrauchen/vergehen.
Sexuelle Gewalt – auch ein Thema im Sport
Der Sport ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. So wie sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in allen gesellschaftlichen Bereichen vorkommt, so begegnen uns Grenzverletzungen, sexualisierte Übergriffe und sexueller Missbrauch auch im Sport.
Schlimmer noch: Täter und Täterinnen suchen gezielt Situationen, in denen sie auf leichte und unkomplizierte Weise Kontakte mit Kindern und Jugendlichen aufbauen können. Die körperliche und emotionale Nähe, die im Sport entstehen kann, birgt die Gefahr, dass sich Täter*innen genau mit dieser Intention in Sportvereine begeben.
Die Formen sexualisierter Gewalt im Sport unterscheiden sich nicht von den Formen in anderen Bereichen. Im Sport gibt es jedoch Faktoren, die sexualisierte Gewalt begünstigen können, z. B.:
⦁ die sportlichen Aktivitäten per se, da diese sehr körperzentriert sind,
⦁ der Körperkontakt, der oftmals nötig ist,
⦁ die spezifische Sportkleidung,
⦁ die „Umzieh- und Duschsituationen“,
⦁ die Rahmenbedingungen, wie Fahrten zu Wettkämpfen mit Übernachtungen.
Das Besondere an Sportvereinen ist darüber hinaus die Tatsache, dass es oft Situationen gibt, in denen Trainer*innen und Sportler*innen alleine sind, beispielsweise nach dem Spiel in der Halle oder bei zusätzlichem Einzeltraining. Durch diese abgeschirmten Situationen ohne Zeugen kann der/die Täter*in die Handlung einfach leugnen oder die „Schuld“ dem Opfer zuweisen. Wichtig ist deshalb eine hohe Sensibilität und Wachsamkeit gegenüber jeglichen Vorkommnissen, die auf mögliche sexualisierte Grenzüberschreitungen schließen lassen.
Verunsicherung und Überforderung sind oftmals die Gründe dafür, dass Beschwerden oder Verstöße innerhalb des Vereins nicht angemessen bearbeitet und manchmal sogar abgeblockt werden. Doch dies wiederum erleichtert Täter*innen den Zugang zu den Kindern und Jugendlichen. Gefragt ist daher eine Kultur der Aufmerksamkeit und des Handelns – denn nur so können wir im organisierten Sport ein Klima schaffen, das Betroffene zum Reden ermutigt und gleichzeitig potentielle TäterInnen abschreckt. Denn außer Frage steht: Sportvereine sollen sichere Orte für alle Mädchen und Jungen sein!
Doch nicht bei uns?!
Beispiele sexualisierter Übergriffe und Gewalt im Sport:
⦁ Sexistische Sprüche und Witze, die die Atmosphäre in Trainingsgruppen bestimmen und ein Klima für Übergriffe begünstigen können
⦁ Distanzlose, anzügliche Bemerkungen, Gesten und Blicke
⦁ Übergriffe exhibitionistischer Art, angefangen mit dem Tragen von unpassender, provozierender Sportbekleidung, die unerwünschte Einblicke gewährt
⦁ Grenzverletzung bei Kontrolle der Sportkleidung
⦁ Scheinbar unabsichtliche körperliche Berührungen/Übergriffe bei der Hilfestellung
⦁ Verletzungen der Intimsphäre durch Eindringen in Umkleiden und Duschen
⦁ Gezielte körperliche Berührungen zur eigenen sexuellen Erregung, d. h. direkte Formen sexueller Gewalt bis hin zu Vergewaltigung
Unterstützung für Sportvereine durch die MSJ
Die Münchner Sportjugend möchte die Münchner Sportvereine bei der Prävention von sexuellem Missbrauch unterstützend zur Seite stehen und ihnen ein möglichst umfassendes Präventions- und Beratungsangebot zugänglich machen.
⦁ Fortbildungsangebote für Mitarbeiter*innen der Münchner Sportvereine
⦁ Prävention von sexualisierter Gewalt – Sportvereine in der Verantwortung
⦁ Empfehlungen für Sportvereine zur Einführung eines Verhaltenskodex zur Prävention sexueller Gewalt in der sportlichen Kinder- und Jugendarbeit [mehr…]
⦁ Verhalten im Verdachtsfall
⦁ Ansprechpartner und Beratungsstellen in München sowie weiterführende Informationen