Von Felix Hrdina
Acelya Basili ist seit 2020 Inklusionsbeauftragte des TSV Gräfelfing. Dort setzt sie sich für Chancengleichheit, Potenziale und Teilhabe ein. Sie sieht ihre Aufgabe darin, erste Ansprechperson für jede Person zu sein, ob mit oder ohne Beeinträchtigung, groß oder klein, Geflüchtete oder junge Menschen aus Einwandererfamilien. Wichtig ist ihr, dass Inklusion ein Prozess ist und kein Zustand. Wir wollten mehr wissen und haben sie deshalb zu einem ausführlichen Gespräch getroffen:
Hallo, Frau Basili, vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit nehmen. Sie sind beim TSV Gräfelfing tätig. Beschreiben Sie uns kurz, welchen Tätigkeitsfeldern und Aufgaben sie dort nachgehen.
Meine Aufgabenfelder im Verein sind vielfältig. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, mich nicht nur auf Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung zu fokussieren, sondern jede Art der Randgruppen unserer Gesellschaft in den Fokus zu nehmen. Dazu gehören auch ältere Menschen, Geflüchtete, Migrantinnen und Migranten, Menschen mit Handicaps, aber auch Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung. Ich möchte sie auf ihrem Weg in ein Vereinsleben begleiten, beraten und ihnen zur Seite stehen. Das kann von der Hilfestellung bei der Anmeldung bis hin zur Begleitung in die Kurse reichen.
Des Weiteren ist es mir wichtig, ein Bewusstsein für das Thema Inklusion zu schaffen. Dabei werden Kooperationen geknüpft und es entstehen Zusammenarbeiten mit unterschiedlichsten Organisationen. Wir veranstalten Feste oder nehmen an etablierten Angeboten teil, wie z. B. der Würmtal-Insel – ein Projekt, um Menschen für das Thema der Inklusion zu sensibilisieren. Eine große Rolle in meinem Tätigkeitsfeld spielt außerdem, die Türen des TSV Gräfelfing für alle Menschen zu öffnen ‒ wozu wir mehr als bereit sind. Wir führen außerdem gerade Umbauten im Verein durch. Hierbei ist es mir ein großes Anliegen, für mehr Barrierefreiheit zu sorgen.
In meiner Tätigkeit fungiere ich als eine Art Vermittlerin zwischen den Beteiligten ‒ Familien und Organisationen, Vereine sowie Sportlerinnen und Sportler, aber auch Betroffene und Übungsleitungen. Besonders wichtig ist mir, dass sich die Sportlerinnen und Sportler bei uns wohlfühlen und gerne zu uns in den Verein kommen. Ich möchte ihnen ermöglichen, wie alle anderen auch, das Gefühl von Gemeinschaft wahrzunehmen.
Das Ziel ist einfach, Inklusion durch und in den Sport zu schaffen, Chancengleichheit zu fördern, Potenziale auszuschöpfen und Teilhabe zu ermöglichen – und das für alle Menschen.
Inklusion ist ein Begriff, der von vielen häufig falsch verstanden wird. Was bedeutet Inklusion für Sie und Ihren Verein?
Ich assoziiere drei wesentliche Begriffe mit Inklusion: Zugang, Teilhabe und Selbstbestimmung. Wir müssen uns aber auch bewusst werden, dass Inklusion kein Zustand ist, sondern ein fortlaufender Prozess, der Tag für Tag angegangen werden muss.
Welche inklusiven Maßnahmen im Sport für Kinder und Jugendliche unternimmt der TSV Gräfelfing?
Wir haben unter anderem Sportkurse in verschiedenen Sportbereichen für Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigungen. Unser primäres Ziel aber ist es, Menschen mit Behinderung in bereits bestehende Kurse zu etablieren, um ganzheitliche Inklusion zu schaffen. Das gelingt je nach gesundheitlichem Zustand nicht immer, aber wir haben trotz allem gut funktionierende Beispiele dafür!
Des Weiteren halten wir Kooperationen aufrecht, knüpfen neue und versuchen ein Zahnrad nach dem anderen in Bewegung zu setzen. Ich denke, dass meine Stelle extra hierfür ins Leben gerufen wurde, sagt einiges über den Willen des Vereins aus.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hürden für eine erfolgreiche Inklusion?
Wahrscheinlich die vielen unterschiedlichen Definitionen der Inklusion ‒ denn es gibt keine einheitliche Vorstellung von Inklusion. Wenn man die Betroffen fragen würde, werden diese ganz anders auf die Frage „Was ist Inklusion?“ antworten als z.B. Politikerinnen und Politiker oder Menschen ohne Behinderung.
Finden Sie, dass in Politik und Gesellschaft das Thema der Inklusion im Sport mehr Aufmerksamkeit erhalten sollte. Wenn ja, warum?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich bis vor vier oder fünf Jahren nicht so viel mit dem Thema auseinandergesetzt habe und auch in meinem privaten Vereinsleben nicht darauf gestoßen bin. Es war mehr eine Erkenntnis im Nachhinein: Es ist schrecklich, dass einem das nicht einmal auffällt! Wo sind eigentlich die Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung? Machen sie Sport, und wenn ja, wo und wie? Sei es fehlendes politisches Interesse oder eben fehlende Aufmerksamkeit und Bewusstsein. Ich denke, da spielt alles eine Rolle. Im Allgemeinen kann ich sagen, dass die Gesellschaft für mehr Inklusion bereit ist als in den Jahren davor. Zwar gibt es Fortschritte, doch ich denke nicht, dass wir unser Potenzial bereits erreicht haben. Zudem ist Sport ein sehr leicht zugängliches Setting für Inklusion. Unser Motto im TSV Gräfelfing lautet „Sport verbindet!“ ‒ und das tut es unserer Meinung nach auch.
Wie könnte man auf sozialer und politischer Ebene mehr Plattform für sportliche Inklusion schaffen?
Ich denke, erst einmal muss ein stärkeres Bewusstsein für das Thema geschaffen werden. Danach kann man dann Schritt für Schritt Ziele definieren und diese angehen. Kooperationen mit Settings, in denen sich diese Menschen oft in ihrem Alltag aufhalten, wie z.B. Werkstätten, könnten hilfreich sein. Einfach mal fragen, was diese Menschen eigentlich wollen. Erfahrungsgemäß sind sie sehr ehrlich und offen. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund und werden Ihnen genau sagen, was sie sich wünschen. Den Menschen muss mehr Mitspracherecht gegeben werden, um die Teilhabe zu ermöglichen.
Welchen Mehrwert bietet Inklusion im Sport den Kindern und Jugendlichen, welche Veränderungen stellen Sie fest?
Da gibt es einiges, was mir einfällt. Gesundheit, neue Freundschaften, Freude, Spaß, Bewusstsein und besonders das Wir-Gefühl. Es ist meines Erachtens für jedes Kind und für jeden Jugendlichen wichtig, ein Wir-Gefühl zu entwickeln und dieses dann zu fördern. Im Vereinsleben macht man nicht nur Sport, es steckt viel mehr dahinter. Und genau das soll allen zugänglich sein.
Was können Sie allen Vereinen mit auf den Weg geben, die Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung oder Beeinträchtigung in ihre Gruppen aufnehmen möchten?
Wir und alle anderen Teilnehmenden können so viel von ihnen lernen. Und das beruht auf Gegenseitigkeit. Wir vom TSV Gräfelfing freuen uns über jeden Zuwachs!
Die MSJ sagt Danke für das Interview und Ihre Arbeit für und mit Kindern und Jugendlichen. Bewegend!