Der Sport ist Quelle der Demokratieförderung. Im Verein braucht es dazu ein demokratisches Partizipationsverständnis sowie verschiedene Maßnahmen zur Partizipationsförderung. Diese müssen nicht immer formelle, fest verankerte Beteiligungsformen in der Satzung sein. Auch offene Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche, um schon früh Mitbestimmung und Gestaltungsräume erleben zu dürfen, sind elementar. Der Partizipationsbegriff ist dabei als Oberbegriff zu verstehen, den es zu unterteilen gilt, um verstehen zu können, wie Engagement und Mitgestaltung von jungen Menschen gefördert werden können.
Mitbestimmung und Entscheidung (politische Partizipation)
Mitbestimmung und Entscheidungskompetenz können sichtbar in ganz verschiedenen Bereichen des Vereins angewandt werden. So findet klassische „politische Partizipation“ zunächst einmal bei Entscheidungen statt, die den Verein in seiner Organisation betreffen. Wahlen oder Abstimmungen sind im organisierten Sport oft an der Tagesordnung. Doch die Mitbestimmung der Mitglieder erstreckt sich auch auf kleinere Entscheidungen auf den vielen Ebenen der gemeinnützigen Arbeit. Das kann auch ein kurzes Handzeichen zur Meinungsabfrage beinhalten, wenn es darum geht, welches Aufwärm- oder Abschlussspiel in einer Übungseinheit auf dem Programm stehen soll.
Entscheidend für den demokratischen Lerneffekt ist dabei, dass alle Beteiligten ausreichend Informationen und Wissen über das haben, worüber abgestimmt werden soll. Außerdem kann nur durch ein gleichberechtigtes Stimmrecht jedes Mitglieds des Vereins, der Abteilung oder Trainingsgruppe eine „echte“ Mitbestimmung entstehen, an der auch alle beteiligt sind.
Kinder und Jugendliche erfahren spielerisch, ihre individuellen Interessen auch gegenüber „Höhergestellten“ und Autoritätspersonen zu vertreten. Unumstritten muss sein: ein Sportverein ist ein Ort für freiwilliges, gemeinsames Sporttreiben, bei dem auch Gruppeninteressen berücksichtigt werden müssen. Ein weiterer Lerneffekt für junge Menschen ist schließlich, dass Einzelne ihre eigene Idee eventuell zugunsten der Gruppe oder der Mehrheit nicht durchsetzen können. Wenn sich also die Mehrheit der Beteiligten z.B. gegen die Teilnahme an einem bestimmten Wettkampf ausspricht, gilt es, dieses Gruppeninteresse zu berücksichtigen und gegebenenfalls einige individuelle Interessen zurückzustellen. Verantwortlichen von Vereinen, Abteilungen oder Trainingsgruppen muss deshalb auch bewusst sein, dass sie zunächst Macht abgeben müssen, um anderen Beteiligten die Chance zu geben, Verantwortung zu übernehmen.
Mitsprache und Aushandlung (soziale Partizipation)
Weitere Aspekte der demokratischen Partizipation sind die Mitsprache und Aushandlung während einer Kooperations- oder Kommunikationssituation. Dabei geht es darum, sich eine Meinung über gewisse Themen zu bilden bzw. diese während einer Diskussion als Einzelner oder als Gruppe einzubringen. Die soziale Partizipation bezieht sich also immer auf Situationen, in denen die Trainingsgruppe oder die Mitglieder untereinander oder mit Verantwortlichen kommunizieren oder kooperieren. Diese Situationen zeichnen sich immer durch direkte Kommunikation und Auseinandersetzung aus. Beispielsweise in Diskussionsrunden oder Debatten können grundsätzliche Ansichten und Perspektiven mit der eigenen Meinung abgewogen werden, bevor man im Sinne der politischen Partizipation zu einer endgültigen Entscheidung für die Gruppe gelangt.
Durch die Mitsprache und Aushandlung lernen die jungen Beteiligten, ihre eigenen Vorstellungen und Positionen zu artikulieren. Es ist eine Sache, die eigenen Interessen im Kopf zu haben, eine andere, diese auch zu verbalisieren und gegenüber anderen zu verteidigen. Im Sportverein sollte jedes Mitglied einer Runde die Gelegenheit erhalten, seine Position zu äußern. Dialoge (Meinung artikulieren und zuhören), Diskussionen (Fakten und Argumente offen abwägen) und Debatten (Fakten und Argumente moderiert und gelenkt abwägen) sind wichtige Bestandteile der demokratischen Bildung der Kinder und Jugendlichen im Sportverein. Mitsprache und Aushandlung herrschen nur dann vor, wenn kein Akteur des Vereins gänzlich eigenständig entscheiden darf, sondern wenn zumindest eine Anhörungspflicht den jeweiligen Zielgruppen gegenüber vorliegt. Wenn exemplarisch sowohl der Übungsleiter als auch die Akteure die Möglichkeit erhalten, ihre eigene Meinung zum nächsten Spiel zu äußern, kann eine erfolgreiche Aushandlung und Entscheidung, der beide Seiten zustimmen, erfolgen.
Mitgestaltung und Engagement (aktives Handeln)
Die Basis für demokratische Partizipation ist das aktive Handeln in Form von Mitgestaltung und Engagement. Aktiv handeln müssten alle Akteure im Sportverein unter anderem, wenn sie im politischen Sinne mitbestimmen und entscheiden oder sich bei Aushandlungs- und Mitspracheprozessen beteiligen. Wichtig ist vor allem, dass alle Mitglieder im Verein merken, dass sie tatsächlich Einfluss haben, wenn sie sich engagieren. Dazu gibt es im organisierten Sport zahlreiche Möglichkeiten. Im Wesentlichen geht es für die Verantwortlichen darum, positive Rahmenbedingungen für freiwilliges und ehrenamtlichen Engagement im Verein zu schaffen. Die Grundvoraussetzung, auf deren Basis junge Menschen gezielt für ehrenamtliches Engagement gewonnen, gebunden und qualifiziert werden können, sind: (Weiter-)Entwicklung der Engagementkultur; Interessenvertretung der Jugend; Anerkennung, Wertschätzung und Orientierung an Motiven und eine Orientierung an Sozialraum und Gruppe. Um derartige Möglichkeiten der Mitgestaltung und des Engagements gezielt zu fördern, sind vor allem Freiwilligkeit und Motivation entscheidende Grundvoraussetzungen. Um dies zu unterstützen, muss vor allem jungen Menschen verdeutlicht werden, dass ihr Engagement willkommen ist und sie Gestaltungsspielraum haben. Wenn bekannt ist, wofür ein Engagement sinnvoll und erwünscht ist, erhöht dies die Motivation spürbar. Eigeninitiative und Selbstorganisation benötigen nicht selten einen externen Impuls, um in Gang zu kommen. Beispielsweise durch einen Informationstag oder projektbezogene Möglichkeiten des Engagements können Anreize für aktives Handeln gesetzt werden. Im täglichen Trainingsbetrieb ist bereits das Lösen von Konflikten, die im Miteinander entstehen können, eine Form der Problemlösung. Dies führt unter anderem dazu einen Gemeinsinn zu entwickeln und umzusetzen, der in demokratischen Gesellschaften unerlässlich ist. Im eigenen Handeln sollte demnach auch eine Verantwortung den anderen gegenüber erkennbar sein. Das Einhalten demokratischer Werte wie Solidarität und Akzeptanz ist keine Selbstverständlichkeit und muss immer wieder im Training, aber auch in Gremien eingeübt und eingefordert werden. So fällt beispielsweise einigen Kindern und Jugendlichen auf, dass ein Mannschaftsmitglied von einem jungen Menschen unfair behandelt wird. Sie thematisieren dies mit der Mannschaft und stehen für diese ungerecht behandelte Person ein. Dadurch weisen die Jugendlichen einen Gemeinsinn auf, der vom Übungsleiter und Verantwortlichen eingefordert und eingeübt werden sollte.
Das Juniorteam
Eine Möglichkeit, die jungen Menschen Raum und Zugang zu Engagement und Mitgestaltung im Sportverein und Sportverband bietet, ist das Juniorteam. Das Juniorteam bringt interessierte Jugendliche zusammen, die sich ohne gewähltes Amt engagieren möchten. Dabei ermöglicht ihnen das Modell einen niedrigschwelligen Zugang und möglicherweise einen Weg hin zum langfristigen Engagement im Verein oder im Verband. Das Team bringt eine flexible Form des Engagements in der Jugendarbeit im Sport mit sich, da man weder gewählt noch berufen wird, sondern einfach hingeht, wenn man sich beteiligen möchte. Die kommenden Seiten dieser Ausgabe des MSJ-Magazins eröffnen deshalb nochmals die offene Beteiligungsform des Juniorteams als positives und effizientes Beispiel des aktiven Handelns.
Partizipation im Sportverein kann man als solche nur als Oberbegriff verwenden. Damit Klarheit herrscht, ist es wichtig, je nach Ziel und Kontext zu differenzieren. Geht es um die Teilnahme oder Mitgestaltung an Prozessen im Verein oder um direkte demokratische Beteiligung? Mitgestaltung und Engagement bilden eine Basis, die geschaffen werden muss, um Situationen der Mitbestimmung und Entscheidung sowie der Mitsprache und Aushandlung etablieren zu können. In der Konsequenz hängt der Grad der Selbst-, Mit- und Fremdbestimmung im organisierten Sport zu einem wesentlichen Teil davon ab, wie groß der zugesprochene Grad des Mitspracherechts für die Mitglieder und Akteure ist. Wie man als Verantwortlicher eines Verbands, eines Vereins oder einer Trainingsgruppe eine Haltung einnehmen und Situationen schaffen kann, um Partizipation zu fördern, erfahren Sie in Teil 3.
Quellen:
– Eikel, A. (2007): Demokratische Partizipation in der Schule.
– Deutsche Sportjugend (dsj) im DOSB e.V. (2018): Der vielschichtige Partizipationsbegriff.
– Deutsche Sportjugend (dsj) im DOSB e.V. (2018): Gelingende demokratische Partizipation in der Sportpraxis.